Das Interview über die ökonomische Aspekte energetischer Ertüchtigung finden Sie hier: Stranded Assets und Klimaschutz :: The Property Post (the-property-post.de)
Prof. Dr. Robert Göötz, Geschäftsführer und verantwortlich für Risikomanagement und Organisation bei der Kapitalverwaltungsgesellschaft Real Blue, die zu Drees & Sommer gehört, über die energetische Ertüchtigung von Immobilien-Portfolien, „strandende“ Gebäude und die Frage, wie man Klimaschutz wirtschaftlich darstellen kann.
Herr Prof. Dr. Göötz, wie wahrscheinlich ist es, dass sich in meinem Immobilien-Portfolio ein so genanntes „stranded asset“ befindet?
In nahezu jedem professionellen Portfolio wird es solche Gebäude geben. Je älter eine Immobilie ist und je größer der Sanierungsstau, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie in naher Zukunft „strandet“ oder bereits „gestrandet“ ist. Immobilien aus den 1970er Jahren hatten nur sehr geringe Umweltauflagen. Häufig haben solche Gebäude aber bereits die ersten Sanierungen hinter sich oder werden jetzt an aktuelle energetische Standards angepasst werden. Wer solche Objekte unsaniert gekauft hat, wird auch einen vermutlich niedrigen Preis bezahlt haben, so dass nachträgliche Sanierungsarbeiten die Erträge letztlich nicht gefährden. Schwieriger wird es bei Immobilien, die weder wirklich alt, noch wirklich neu sind, sondern irgendwo dazwischen liegen: Sie waren im Ankauf schon teurer als alte Objekte, entsprechen aber auch nicht mehr den energetischen Anforderungen von heute – geschweige denn, denen von morgen. Das kann richtig teuer werden.
Hierzulande soll der gesamte Gebäudebestand bis 2045 klimaneutral sein. Was ist aus Sicht eines Assetmanagers zu tun, um dieses Ziel zu erreichen?
Die gute Nachricht ist: Es muss nicht jede Immobilie in meinem Portfolio dekarbonisiert werden. Vielmehr geht es um den Gesamtbestand. Habe ich beispielsweise ein denkmalgeschütztes Gebäude im Bestand, das viel CO2 ausstößt und im Gegenzug vielleicht ein energetisches hocheffizientes neues Gebäude, sorgt das für Ausgleich im Portfolio. Schwierig wird es bei Portfolien mit großem Wohnungsbestand, der in Deutschland überwiegend aus den späten 1960er bis 70er Jahren stammt. Da muss ich dringend sanieren, aber auch sehr viel Geld in die Hand nehmen, weil es nicht mit ein bisschen Dämmung getan ist. Gleichzeitig weiß ich aber nicht, ob die Investitionskosten überhaupt auf die Mieter umlegbar sind oder diese an anderer Stelle refinanzierbar sind. Das Ganze ist also mit großem Risiko behaftet – obwohl es energetisch dringlich und notwendig wäre.
Welche Probleme muss man etwa in Wohnungsbeständen lösen?
Ein gutes Beispiel ist Berlin mit seinen großen Wohnungsblöcken in Spandau oder Kreuzberg. Will ich in solchen Wohnanlagen die Heizung austauschen und auf Wärmepumpen umstellen, scheitere ich häufig am Baurecht: Die Wärmepumpen können z. B. nicht aufgestellt werden, wenn der gesetzlich vorgeschriebene Mindestabstand von drei Metern zum nächsten Nachbarn nicht eingehalten werden kann. Bleibt also nur die konventionelle Heizung, wobei Gas aus aktuellen Gründen nicht mehr in Frage kommt. Beim Wohnungsbau gibt es also viele Hürden, die zu nehmen sind. Und über allem schwebt die Frage: Wie bekomme ich Wirtschaftlichkeit und Klimaschutz zusammen? Dies ist beim Wohnungsbestand besonders schwer zu erreichen. Zum Einen, weil der Wohnungsbestand für einen sehr großen Teil der CO2-Emissionen verantwortlich ist – also besonders viel CO2 reduzieren muss. Zum anderen ist , Wohnen ein soziales Grundbedürfnis und die Wohnkosten belasten die finanzielle Leistungsfähigkeit der Menschen bereits sehr stark. Eine mögliche Lösung wird darin liegen, die Dekarbonisierung des Wohnungsbestandes als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu verstehen und Ausgleichsmaßnahmen außerhalb der Wohnquartiere zu erlauben sowie Förderprogramme und auch Subventionen für diese und die energetische Ertüchtigung der Wohngebäude selbst aufzulegen. Wir laufen andernfalls Gefahr, eine Überforderung von Mietern und Vermietern zu provozieren.
Als Assetmanager bin ich dem Eigentümer gegenüber verpflichtet, den Wert der Immobilien zu erhalten oder sogar zu steigern. Wie gehe ich angesichts der zunehmenden energetischen Anforderungen damit um?
Wenn ich gezwungen bin, energetische Ertüchtigung aus dem laufenden Cash-Flow zu bezahlen, muss ich mich fragen, wie viel CO2 ich durch den Einsatz von einem Euro spare – und ab wann das Ganze wirtschaftlich keinen Sinn mehr ergibt. Als Verantwortlicher muss ich eine Effizienzgrenze im Kopf haben. Eventuell ist es besser, eine Immobilie zu verkaufen, wenn ich sehe, dass ihre Sanierung Unsummen kosten würde und das Geld am Ende nicht wieder reingeholt werden kann. Grundsätzlich ist es daher sinnvoll, einen vorausschauenden Instandhaltungsplan für das gesamte Portfolio zu entwickeln und zu dann zu priorisieren, in welcher Reihenfolge welche meiner Objekte in welchem Umfang energetisch nachgerüstet werden müssen.
Was passiert, wenn ich den Dekarbonisierungspfad nicht einhalte?
Selbst wenn mal eine Immobilie temporär den vorgegebenen Dekarbonisierungspfad überschreiten sollte, ist das nicht dramatisch – sofern ich durch andere Objekte im „Guthabenplus“ bin und auf Ebene meines Portfolios ausgleichen kann. Habe ich ohnehin vor, die Immobilie in zwei Jahren zu sanieren, sollte ich mich auch an meinen Plan halten und mich nicht durch aktuell schlechte Werte des Gebäudes verleiten lassen, gleich mehrere Baustellen gleichzeitig zu eröffnen bzw. das Objekt zweimal in die Hand zu nehmen. Wichtig ist aber auch, beim Ankauf eines neuen Objektes genau im Blick zu haben, was die neue Immobilie für meinen Dekarbonisierungsgrad bedeutet. Ich kann damit nicht mehr so wie einst umgehen: Kaufen, halten, verkaufen. Das ist vorbei. Bei jedem Ankauf muss ich im Vorfeld analysieren, welche Auswirkungen eine (vermeintliche) Opportunität auf meinen Gesamtbestand hat.