Die Unterschiede zwischen Nord- und Südeuropa werden immer offensichtlicher und die Differenzen immer größer und immer schwerer zu überwinden. Kompromisse, die von beiden Seiten wirklich als tragfähig und im Sinne der Sache aus Überzeugung eingegangen werden, werden damit immer unwahrscheinlicher.
Die Eurozone schlittert in ein weiteres Glaubwürdigkeitsproblem: nicht nur die Finanzmärkte misstrauen dem Euro; je mehr fadenscheinige Kompromisse eingegangen werden, umso mehr schwindet auch der Glaube und die Überzeugung bei der eigenen Bevölkerung. Die einen haben das Gefühl, sie sind die Dummen, die einfach nur für alle anderen bezahlen sollen, die anderen haben das Gefühl, sie werden bevormundet und müssen brav sein und betteln, um die reichen europäischen Geschwister nicht zu verärgern. Auf einer solchen Grundlage ist eine gemeinsame Währung nicht gut gebettet – und ein „mehr Europa, jetzt erst recht“ wie es Politiker blindlings propagieren nicht wirklich gut angesehen. Dabei mag die Idee „mehr Europa“ durchaus richtig sein und Charme haben (über die „United States of Europe“ habe ich in der Vergangenheit schon geschrieben), aber die angedachten Wege wie etwa Fiskalpakt, Eurobonds, Bankenrettung aus dem ESM, … sind wohl eher die falschen Instrumente. Da wird erneut der zweite Schritt vor dem ersten getan – genau wie seinerzeit bei der Euro-Einführung.
Vor ziemlich genau zwei Jahren (https://idiw.de/?p=49) habe ich geschrieben, dass die eingeschlagenen Wege nicht zum Ziel führen werden. Leider habe ich damit recht behalten… Seitdem werde ich nicht müde (z.B. https://idiw.de/?p=46) darauf hinzuweisen, dass das Problem mit diesen Instrumenten nur schwer in den Griff zu bekommen sein wird und dass der Euro in seiner heutigen Form nicht um jeden Preis gerettet werden muss. Im Gegenteil: Seit dem Beginn der Staatsschuldenkrise mache ich mich für Alternativen zum Euro stark – lange bevor die Herren Henkel und jetzt jüngst Sarrazin sich dem Thema angenommen haben.
Es ist ausführlich diskutiert, dass eben nicht die schwachen Länder (PIGS) aus dem Euro austreten, sondern eben umgekehrt die starken Ländern – allen voran Deutschland. Der Euro als solcher und alle Obligationen in Euro bleiben erhalten. Deutschland könnte zur D-Mark zurückkehren oder besser mit den skandinavischen Ländern, der Schweiz, Österreich und den Niederlanden eine neue, gemeinsame Währung einführen.(vgl. z.B. https://idiw.de/?p=384)
Der Vorschlag ist also beileibe nicht neu – er ist aber dringlicher denn. Warum? Den europäischen Politikern gehen die Ideen, die Instrumente und die Zeit aus. Die Rufe, nach mehr „Sündenfällen“ durch die EZB werden immer lauter. Die Mittelmeerstaaten sind sich einig in ihren Forderungen, mehr Geld zu drucken, gemeinsame europäische Staatanleihen (auf die Bonität der Nord-Europäer) aufzulegen, süd-europäische marode Banken direkt aus dem ESM zu speisen, … Genau genommen wird hier die komplette Hilflosigkeit sichtbar und es geht darum, dass „die anderen“ (allen voran Deutschland) haften und bezahlen soll. Das ist nicht das, was man unter „europäischer Solidarität“ und „Gerechtigkeit“ abbuchen kann. Es geht de facto um gänzlich unterschiedliche Sichtweisen und Mentalitäten in Sachen „Geld“. Und es zeigt sich, dass man schnell dabei ist, das Geld anderer ausgeben zu wollen. Es ist auch viel einfacher und bequemer, als selbst Reformen anzustoßen, durchsetzen und zum Erfolg zu führen.
Richtig ist auch, dass es für die Südeuropäer in den bestehenden Korsett des Euros sehr schwierig und sehr anstrengend ist, die an und für sich notwendigen Maßnahmen in Gang zu setzen und zum Erfolg zu führen. Zu ungleich sind die Staaten innerhalb des Euro-Währungsverbundes aufgestellt. Salopp haben die Südeuropäer zwar nicht wenig Chancen, aber es ist bedeutend schwieriger, sich Wettbewerbsvorteile zu erarbeiten, wenn man mit dem Wettbewerbsfähigsten im gleichen Währungsboot sitzt. Nun kann man natürlich fordern (französische Position), dass der Wettbewerbsfähigste sich selbst künstlich schwächt, damit die anderen Euro-Staaten ihre Position relativ verbessern ohne sich selbst bewegen zu müssen… genau darauf laufen die Vorschläge der Südeuropäer im Prinzip hinaus. Das ist zwar verständlich, aber nicht sinnvoll. Das könnte man jetzt als „wünsch’ Dir was“ abtun – das Problem aber ist, dass Deutschland innerhalb der Eurozone zunehmend an Gehör verliert, obwohl es schon jetzt die Hauptlast an der Euro-Rettung trägt und zugleich Länder wie Spanien, Italien (und demnächst Frankreich) verstärkt Probleme bekommen, sich zu refinanzieren. Heißt, die Forderungen werden unverhohlener und lauter.
Es ist allen klar, dass Deutschland nicht „alleine“ die Eurozone retten kann. Es ist also richtig und höchste Zeit zu fragen, was den Südeuropäern wirklich hilft (ihnen Zeit und Luft zum Atmen verschafft) und zugleich Deutschland und Gleichgesinnten auch wirklich zu leisten vermögen. Das ist die wirkliche Frage nach europäischer Solidarität! Die Antwort ist einfach: Deutschland und andere treten aus der Eurozone aus und geben damit den schwächeren Ländern die Mittel (Zeit, Währung, Zins- und Geldpolitik) in die Hände, um sich zu reformieren. Der Euro bleibt – er wird zumindest temporär eine Weichwährung südeuropäischer Prägung.
Der Austritt aus dem Euro wird für Deutschland eine Belastung – das gehört mit zur Solidarität. Aber die negativen Folgen (an anderer Stelle bereits ausführlich diskutiert) sind bei Weitem nicht so groß, wie Mancher befürchtet (z.B. Rolf Schneider, Volkswirt bei der Allianz AG). Allein die Schäden durch die Einführung von Euro-Bonds (vgl. https://idiw.de/?p=908) wären höher. Was so Mancher in der Diskussion nicht berücksichtigt… Eine nördliche oder deutsche Währung würde deutlich aufwerten, was den Export schwächt. Ja, aber zugleich würden die Einkaufspreise am Weltmarkt deutlich günstiger werden. Betroffen von der Aufwertung ist also „nur“ das Wertschöpfungsdelta der Veredelung in Deutschland zwischen Import und Export. Das ist vielfach diskutiert. Zusätzlich jedoch steigt die Kaufkraft der Inländer bei ausländischen Waren, zugleich bleibt sie bei inländischen Waren neutral. Insbesondere Rohstoffe und Energie werden günstiger. In Summe steigt die Kaufkraft der Inländer deutlich und zugleich wird der Binnenmarkt nicht geschwächt. Das gibt Raum für eine deutliche Lohnzurückhaltung in Deutschland. Wenn das auch die Gewerkschaftsvertreter verstehen, können wir in Deutschland über die Lohnzurückhaltung die durch die Aufwertung an und für sich gesunkene Wettbewerbsfähigkeit ein gutes Stück ausgleichen. Damit wird die Belastung für Deutschland beim Austritt aus dem Euro wesentlich gemildert. Der Aufwand ist viel kleiner als Mancher befürchtet. Und wir üben uns in wahrer europäischer Solidarität: keiner unserer südeuropäischen Freunde muss sich bevormundet fühlen; wir geben den Südeuropäern die Instrumente in die Hand, die sie haben wollen; wir bekommen unsere Darlehen in einer Weichwährung zurück und wir geben unseren Freunden mehr Zeit, ihre Reformen zu planen und umzusetzen und die Geschwindigkeit dabei selbst zu bestimmen.
Ich denke, das kann man unter „mehr Europa“ verstehen.
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