Hier nun der zweite Teil des Interviews mit den Stuttgarter Nachrichten / der Stuttgarter Zeitung. Am Beispiel der Areale in Stuttgart-Feuerbach lassen sich die zuvor angesprochenen „politischen Kosten“ von Stadtplanungen illustieren.
Feuerbach. Der Wissenschaftler Robert Göötz hält das Vorgehen der Stadt beim Schoch-Areal für rechtlich heikel. Von Marc Schieferecke
Womöglich verstößt die Stadt in Feuerbach gegen das Grundgesetz, gewiss verstößt sie gegen die Grundsätze des ehrbaren Kaufmanns. Dagegen klagt zwar niemand, Folgen hat es trotzdem, zum Beispiel für den Möbelgiganten XXXLutz, der das Fahriongelände gekauft hat. Und zwar angenehme. Das Unternehmen wird sich entweder über einen schönen Gewinn beim Wiederverkauf des Grundstücks freuen oder über einen unschönen Schadenersatz aus der Stadtkasse.
Die Materie ist verzwickt. Um zu erklären, warum er diese Ansichten vertritt, braucht Robert Göötz vier Stunden. Das liegt auch daran, dass ihm sein Beruf zur Berufung geworden ist – im zweifachen Wortsinn. Bis zu seinem 41. Lebensjahr arbeitete Göötz als Manager bei verschiedenen Konzernen. Im Herbst vergangenen Jahres bot die Hochschule für Wirtschaft in Nürtingen ihm eine Professur an. Seitdem lehrt er Immobilienwirtschaft. Nicht nur die Stadt Stuttgart tut, was der Professor für fragwürdig hält, sondern auch andere Kommunen. Aber weil er in Feuerbach lebt, hat er „einen Steinwurf von meinem Haus entfernt“, wie er sagt, zwei Beispiele vor Augen: das Schoch- und eben das Fahrion-Areal. Über beide lässt er Studien erarbeiten. Beide sind noch nicht fertig.
Die über das Schoch-Areal wird wohl, auch wenn sie fertig ist, noch eine Weile unveröffentlicht bleiben. Streit und Verhandlungen zwischen den Besitzern, den Schoch-Erben, den zwischenzeitlichen Käufern, einer Investorengruppe, und dem künftigen Besitzer, der Stadt, sind noch nicht entschieden. „Als Wissenschaftler bin ich zur Neutralität verpflichtet“, sagt Göötz. Es sei denn, er würde im Sinne eines Gutachters gefragt.
Deshalb bleiben seine Detail-Erkenntnisse vorerst unter Verschluss. Aber nicht die grundsätzlichen: Die Stadt missbraucht ihr staatliches Monopol. Damit greift sie ins Spiel der Marktkräfte ein und drängt Privatunternehmen aus dem Geschäft. Das ist Göötz“ Grundannahme. Am Beispiel des Schoch-Areals dürfte die unstrittig sein. Schließlich wollte jene Investorengruppe das Gelände kaufen, entgiften und selbst bebauen, bevor die Stadt sie aus dem Kaufvertrag drängte. Zumindest der Abriss der alten Bauten und die Entgiftung sollen nun mit Steuergeld bezahlt werden. Aber „wo ist der öffentliche Auftrag?“, fragt Göötz, „das widerspricht dem Primat des Grundgesetzes“ – dass der Staat nicht mit Unternehmen konkurrieren darf, zumal wenn er eine Monopolstellung ausnutzt. Das Monopol ist schlicht das Planungsrecht. Nur die Stadt darf bestimmen, wie ein Grundstück bebaut wird und ob überhaupt. Und der Grund, warum sie sich das Gelände sichern will, ist laut Göötz banal: Geld.
Wenn Göötz über Stadtplanung spricht, spricht er vor allem über Geld. Er ist Doktor der Finanzwissenschaften. Aus finanzieller Sicht ist Stadtplanung unwesentlich komplizierter als das Ausfüllen einer Steuererklärung. Die meisten Einnahmen bringen Unternehmen in die Stadtkasse, als Gewerbesteuer. Hinzu kommen Anteile an anderen Steuern, die sich nach der Zahl der Arbeitsplätze und der Einwohner berechnen. Weshalb folgerichtig ist, jedes freie Grundstück mit Büros oder Produktionshallen zu bebauen. „So zu denken, ist nicht verwerflich, sondern aus Sicht einer Stadt klug“, sagt Göötz, „prekär wird das, wenn ich mit fremden Ideen auf fremden Grundstücken plane“. Die bisher einzigen Ideen für ein neues Fahriongelände stammen vom Zukunftsforum, einer Gemeinschaft engagierter Feuerbacher. Paradoxerweise könnte deren ehrenamtliche Arbeit teuer werden. So lange „das ein loser Zusammenschluss von Bürgern ist, ist es schadlos“, sagt Göötz. Allerdings wünschen sich jene Bürger selbstverständlich, dass ihre Vorstellungen im Rathaus zur Kenntnis genommen werden. Geschieht dies offiziell, „hat das Auswirkungen auf den Wert des Grundstücks“, sagt Göötz, „als Lutz würde ich einfach abwarten, ich verdiene so oder so“. Die Spekulation, dass die Industriebrache zu Wohngrund umgewidmet wird, würde den Marktpreis etwa verdoppeln. Oder: Gekauft hat der Möbelgigant das Gelände als Industriegebiet. Sofern es wegen städtischer Umplanungen zu diesem Zweck unbrauchbar würde, könnte er bei der Stadt Schadenersatz einfordern.
Für die Zukunft des Feuerbacher Schoch-Areals gibt es zwei gegensätzliche Entwürfe. Der eine stammt von den stadteigenen Planern, der andere vom Architekturprofessor Ansgar Lamott, der das Quartier für die Investorengruppe überplante. Zumindest die Grünen im Gemeinderat fordern, dass Lamotts Entwürfe verwirklicht werden. Dann, meint Göötz, müsste die Stadt nicht nur Lamott für seine Pläne bezahlen, sondern die gesamte Gruppe für ihre Vorarbeit. „Schließlich kosten Vorarbeit und Untersuchungen auch Geld.“, sagt Göötz.
Die Entscheidung der Stadt, sich das Schoch-Areal zu sichern, hält er auch aus anderem Grund für heikel. Zumindest die Grünen hegen den Verdacht, dass die Verwaltung am Gemeinderat vorbei der benachbarten Lackfabrik Klumpp einen Teil des Schoch-Areals zugesichert hat. Das soll in einer Gemeinderatssitzung erhellt werden. „Das wäre ein bisschen heiß“, sagt Göötz, „ein Grundstück weiterzuverkaufen, das mir noch gar nicht gehört“.
Und schließlich ruhen im Boden des Schoch-Areals hochgiftige Chemikalien. Eigentlich sollte die Entgiftung längst begonnen haben, aber die Pläne ruhen, weil die Stadt noch über den Kaufvertrag verhandelt. Derweil breiten sich die Chemikalien mit dem Grundwasser aus. Müssen auch andere Grundstücke entgiftet werden, „kann das teuer werden“, sagt Göötz, sogar für die Nachbarn: „Unter Umständen müssen die Anlieger für die Entgiftung zahlen.“
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