Das war es also. Wie von uns erwartet, hat sich die EU demonstrativ zu ihrem Mitgliedsstaat bekannt und sich hinter das Mittelmeerland gestellt und es zugleich unter eine strikte finanzpolitische Überwachung gestellt. Klar war auch, dass es keine direkten finanziellen Zusagen geben würde. Wer diese erwartet hatte, hat die festgeschriebenen Regeln des Euro-Raumes nicht gelesen oder nicht verstanden. Der Euro-Stabilitätspakt schließt explizit direkte finanzielle Hilfen der EZB (Europäische Zentralbank) an einen Mitgliedsstaat aus. Insoweit waren für uns die Rufe einiger Bankenvertreter sehr unverständlich, die eben dieses gefordert hatten. Dummheit, Unwissenheit – oder Kalkül? Man muss wohl von Letzterem ausgehen… insbesondere, wenn man weiß, dass Griechenland gerade einmal 3% Anteil am Euro hat.
Wir wollen einen Blick hinter die Kulissen werfen. Griechenland ist schön – keine Frage. Und so sympathisch uns die Griechen auch sind, so müssen wir doch konstatieren, dass sie deutlich über ihre Verhältnisse leben. Und das schon seit vielen Jahren. Ja, genau genommen scheint es eine griechischen Tradition zu sein, denn schon in der Antike litt der Staat der Helenen unter chronischem Geldmangel. So sehr, dass sich sogar der große Aristoteles dazu herabließ, den Staatslenkern einen guten Rat zu erteilen: Gebe nicht mehr aus als Du hast…
Es ist aber durch und durch falsch, mit dem Finger auf Griechenland zu zeigen und dort den vermeintlich ersten Dominostein einer Kette von schwachen und gefährdeten Volkswirtschaften zu suchen. Richtig ist vielmehr, dass die Verschuldung bis Überschuldung der öffentlichen Haushalte ein weltweites Problem ist und sich nicht an Größe oder Staatsform festmachen lässt. Wirklich sicht- und greifbar wird das Problem jetzt im Zuge der besonderen Belastungen durch die öffentlichen Konjunkturpakete und durch die immensen Aufwendungen zur Rettung des weltweiten Finanzsektors. Die nächsten „Dominosteine“ wären Portugal, Spanien und Italien, wenn wir innerhalb des Euroraumes bleiben wollen. Aber Irland und insbesondere Großbritannien stehen keinen Deut besser da. Und schon gar nicht die USA, deren Defizit 12% (!) des Inlandsproduktes erreicht hat. Rekord unter den Industrienationen!
Warum trifft es also Griechenland? Die Antwort ist ein bisschen komplexer, da eine ganze Reihe von Umständen zusammenkommen, welche teilweise echt sind – und teilweise künstlich geschaffen wordenTatsächlich gibt es hausgemachte griechische Probleme wie dauerhaft zu hohe Ausgaben und eine zu geringe Sparquote. Die Griechen leben über ihre Verhältnisse und das auf Pump. Hinzu kommt, dass sich die griechische Wirtschaftsleistung ungefähr auf dem Niveau der Ukraine oder Nigeria bewegt. Das macht Griechenland zwar leicht angreifbar, aber für Spekulanten noch lange nicht interessant. Spannend wird Griechenland dadurch, dass es Teil des Euro-Raumes ist (also in ein Währungssystem von potenten Staaten eingebunden ist) und dass es erhebliche „stille Reserven“ in Griechenland gibt. „Stille Reserve“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass es in Griechenland eine ausgeprägte Schattenwirtschaft gibt, die ca. 25% des offiziellen BIP (Brutto-Inlandsprodukt) ausmacht und die zumindest in Teilen durch Gesetzesänderungen und eine stringentere Steuerpolitik gehoben werden kann.
Und nun sind wir mitten im Thema. Griechenland ist nahezu der Idealkandidat für verantwortungslose Spekulanten, die sich sehr wohl ihrer Marktmarkt bewusst sind, aber jegliches Gefühl für Verantwortung und Marktethik verloren haben.
Wir alle benötigen funktionierende und stabile Finanz- und Kapitalmärkte. Sie bilden die Grundlage für unseren Wohlstand und erlauben uns den internationalen Austausch von Waren, Gütern und Dienstleistungen – und die Vorsorge für die eigene Zukunft. Es lag zwingend in unser aller Interesse diese Märkte in der Krise zu stützen. Dafür haben letztlich wir alle kollektiv große Anteile der nationalen Steueraufkommen investiert. Dies hat nun leider Einige auf den Plan gerufen, sich gezielt an diesen Geldern zu bereichern – und damit letztendlich uns allen zu schaden. Im festen Vertrauen darauf, dass wir alle, die Staaten, die Steuerzahler, die Teilnehmer am Kapitalmarkt, im Zweifelsfall nochmals den Geldbeutel aufmachen werden, um unsere Märkte zu schützen, wird gezielt gegen Griechenland spekuliert und begleitend gegen Griechenland Stimmung gemacht. Griechenland selbst liefert ja praktischerweise die nötige Munition dazu. Die Rede ist von einigen Hedgefonds und Bankentöchtern, die sich auf kreditfinanzierte Währungsspekulationen konzentrieren.
Ebenso unverantwortlich, und damit kollektiv auf der moralischen Anklagebank mit den Hedgefonds, sind die Zeichner dieser Fonds. Sie trifft die gleiche „Schuld“. Aber auch Analysten und Medien trifft eine Mitschuld. Bei einigen Analysten herrscht ein gefährliches Halbwissen – oder/und eine wirtschaftliche Abhängigkeit. Das hindert sie nicht daran, ihre Analysen – ohne Blick auf die Folgen – in die Medien zu tragen, die diese dann auch noch verbreiten. Beispielsweise wird derzeit das Handelsbilanzdefizit von Griechenland diskutiert und dass dieses maßgeblich durch Deutschland verschuldet sei. Und so wäre Deutschland maßgeblich an der Misere in Griechenland schuld und in der Pflicht Griechenland zu stützen… Das ist natürlich kapitaler Unsinn. Weiß doch jeder Dritt-Semester-Student, dass das Handelsbilanzdefizit zur Einschätzung der Bonität die falsche Größe ist. Richtiger wäre ein Blick auf die Netto-Wertschöpfung im Inland. Diese ist entscheidend und wesentlich getrieben durch die Produktivität und die Arbeitslosigkeit – also ur-griechische Themen. Aber lassen wir das…
In Kenntnis, dass die self full-filling prophecy an den Märkten im negativen Sinn funktioniert, werden Spekulationen für die Marktteilnehmer vorteilhaft, die gezielt gegen einen geschwächten Staat Stimmung machen und dessen Kreditwürdigkeit öffentlich in Frage stellen (lassen). Schlimm ist, dass dieses Vorgehen funktioniert. Noch schlimmer ist, dass diese Gesellen uns allen schaden, die wir ein Interesse an funktionierenden Märkten haben und sich die Kameraden zugleich auf unsere Kosten bereichern.
Wer wissentlich und vorsätzlich anderen schadet und sich dadurch bereichert, macht sich nach allgemeiner Rechtsauffassung strafbar. Kunden und Initiatoren von einigen Hedgeprodukten dürfen sich also nicht wundern, wenn die ersten Vorschläge laut werden, das Auflegen, den Besitz und den Handel mit bestimmten Hedgeprodukten unter Strafe zu stellen. Soweit wollen wir nicht gehen – es wäre auch die falsche Entwicklung. Wir wünschen uns einen freien, effizienten und transparenten Kapitalmarkt, an welchem sich alle Teilnehmer an Mindeststandards an Ethik und Moral verpflichtet fühlen und sich alle ihrer Verantwortung bewusst sind. Analysen und Medien eingeschlossen.
In diesem Sinne: Unser Freund ist der Markt.
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