Griechenland und kein Ende. Dass unsere Freunde vom Mittelmeer nicht zur Ruhe kommen und sie weiter im Fokus der europäischen Öffentlichkeit bleiben und obendrein von dieser mit einer Vielzahl von guten Ratschlägen, Hilfeangeboten und auch Drohungen bedacht werden, ist allerdings selbstverschuldet.
Und genau das ist der Punkt, an welchem man tatsächlich deutliche Kritik üben darf und muss. In einem Verbund, der auf einem partnerschaftlichen Miteinander, gemeinsam verabredeten Regeln und Normen und wechselseitigem Vertrauen beruht, ist es
a.) die Pflicht aller Partner, offen zu informieren und
b.) das Recht aller Partner, offen Informationen einzufordern und zu rügen, wenn diese nicht erbracht werden.
Mit großem Unverständnis haben Politik und Kapitalmärkte gestern zur Kenntnis genommen, wie die berühmte griechische Kreativität Eingang gefunden hat, in die Buchhaltung des Staates der Hellenen. So beträgt das Staatsdefizit nicht 12,7% des BIP (Bruttoinlandsprodukt), sondern 13,6%. Und weil die Statistiker der Europäischen Kommission noch immer Zweifel haben an der Qualität der Daten aus Griechenland und zudem „Merkwürdigkeiten in der Buchhaltung“ aufgetaucht sind, schlagen die EU-Statistiker vorsichtshalber nochmals 0,5% als Sicherheitspuffer obendrauf und kommen so zum einem Wert von 14,1%, von welchem sie ausgehen, dass er realistisch ist.
Bevor wir nun den Finger haben, werfen wir einen genaueren Blick.
Griechenland hat ein BIP von rund 240 Mrd. EUR im Jahr 2009. Die zunächst von Athen gemeldete Defizitquote betrug 12,7% des BIP. Das entspricht einem Wert von 30,48 Mrd. EUR, um den die griechischen Staatsausgaben größer waren als die Staatseinnahmen.
Nun melden die Griechen, dass die sog. Defizitquote nicht 12,7%, sondern 13,6% betragen habe. Das entspräche einem Wert von 32,64 Mrd. EUR – also gerade einmal rund 2 Mrd. EUR mehr. Sollte das also der Grund der Aufregung sein? Nein – mit Sicherheit nicht. Zumal es völlig normal ist, dass es zu Abweichungen kommt zwischen den ersten Schätzungen und den genauer berechneten Werten nach dem Kassensturz. Dazu müssen zwei Größen berechnet werden. Zuerst muss man das tatsächliche BIP ermitteln und dann die tatsächlichen Ausgaben und die Kreditaufnahme dagegenstellen. Dabei sind Abweichungen von einem Prozentpunkt zwischen erster Schätzung und tatsächlicher Bilanz durchaus im Rahmen des Normalen.
Das ist also nicht der Grund für die Aufregung in Politik und Kapital. Es sieht vielmehr so aus, als ob die US-Investmentbank Goldman Sachs den Hellenen massiv bei der „Aufhübschung“ der staatlichen Bilanzen geholfen hat. Zum Teil wohl mit nicht rechtmäßigen Dingen.
Sie lesen richtig: es handelt sich um dieselbe Bank, die jetzt wegen Anlegerbetruges angeklagt wurde. Diese Bank steht in Rede seit Ende der 1990-er Jahre Griechenland systematisch dabei geholfen zu haben, die Buchhaltung des Staates so darzustellen, dass formal die Kriterien für die Aufnahme der damaligen Drachme in den Euro erfüllt wurden. Und auch jetzt in den Jahren der Finanzkrise sollen die US-Banker den Hellenen mit dubiosen Tauschgeschäften die Staatsbilanzen verschönt haben.
Wenn Sie sich nun fragen sollten, wer denn neben dem griechischem Staat Nutznießer der griechischen Bilanzpolitik ist, kommen Sie bei…Goldman Sachs heraus. Insofern ist es verständlich, dass mehr und mehr von deutschen wie europäischen Politikern gefordert, die Geschäftsbeziehungen zu Goldman Sachs kritisch zu hinterfragen und auf den Prüfstand zu stellen. Gründe dafür finden sich nicht nur in der Anklage wegen vorsätzlichem Anlegerbetruges, sondern auch in der Hilfe zur „Bilanzgestaltung“ Griechenlands. Es droht, dass mehrheitlich die europäischen Steuerzahler die Zeche für die Geschäfte von Goldman Sachs zu tragen haben.
Mit Blick auf Griechenland mehren sich zwei Stimmen: die einen fordern den Ausschluss Griechenlands aus dem Euro und den gezielten Staatsbankrott der Hellenen; die anderen sind moderater und begnügen sich mit der Forderung, dass Griechenland seine Bilanzen nicht mehr selbst erstellt, sondern dies durch den Europäischen Rechnungshof oder eine andere EU-Instanz erfolgt.
Beide Vorschläge ändern nichts daran, dass den möglichen Schaden der europäische Steuerzahler zu tragen hätte. Sinnvoller wäre es daher eher, die Geschäfte von Goldman Sachs mit Griechenland für rechts- und sittenwidrig und damit für nichtig zu erklären und entsprechend zu stornieren und rückabzuwickeln. Damit holte man einen wesentlichen Gestalter der Misere mit ins Boot.
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