… naht in großen Schritten. Zumindest was die EU anbelangt, wie wir sie heute kennen.
Dieser Satz mag vielleicht dramatisch klingen – aber so dramatisch ist die Situation nicht. Und gleichwohl ist das Ende unabwendbar. Worum geht es? Plakativ gesprochen geht es um „reich“ gegen „arm“, „nord“ gegen „süd“, „klein“ gegen „groß“, „ost“ gegen „west“. Und das alles gleichzeitig. Oder um in der offziellen Diktion zu bleiben geht es um zwei wesentliche Punkte: a.) gemeinsame Verschuldung und b.) Transferunion. Beide Ansinnen sind so unsinnig, dass man lieber an einen misslungenen Scherz glauben möchte als zu registrieren, dass dies ernsthaft gemeinte und ebenso formulierte Wünsche / Forderungen sind. Sie werden getragen von den südlichen und östlichen EU-Staaten sowie von kleineren EU-Staaten.
Tatsächlich geht es vordergründig um den Euro, seine Stabilisierung und eine Strategie, um zukünftig Krisen wie die gegenwärtige Finanz- und Schuldenkrise zu verhindern. De facto geht es aber darum, dass nicht alle Euro-Länder reif für den Euro waren und sind. Und durch die Einführung der gemeinsamen Währung ist den schwächeren Euro-Ländern das Instrument der gezielten Abwertung zum Ausgleich von Unterschieden in der volkswirtschaftlichen Leistungsfähigkeit genommen worden. Und zugleich wurde das Leben auf Pump (Griechenland) und zu Lasten anderer (Irland) verlockend. Damit ist nun Schluss – beide Länder sind am Ende. Gescheitert sind sie nicht durch den Euro – der hat die strukturellen Defizite nur zu Tage befördert. Die Länder hätten den Euro nie einführen dürfen…
Was wird nun gefordert? Ein gezieltes Brechen der Verträge zur EU und zum Euro. Nicht mehr und nicht weniger.
Die Herausgabe von Euro-Bonds.
Das bedeutet eigentlich nur, dass die EU-Staaten die Souveränität über ihre Staatsverschuldungen aufgeben sollen und sich gemeinsam am Kapitalmarkt als Schuldner in einer Schuldnergemeinschaft darstellen sollen. Im Klartext: Schuldensünder profitieren von der Bonität von gesunden Staaten, die die Zeche bezahlen sollen, weil für sie selbst die Kapitalaufnahme dann entsprechend teurer wird. Nach dem Motto: Ich selbst bekomme keinen Kredit mehr. Macht nichts – leihe ich mir doch einfach Geld auf den Namen (und die Rechnung) meines Nachbarn. Dieser Vorschlag ist nicht nur nicht gerade intelligent; er ist auch brandgefährlich. Zum einen wird kein Anreiz gegeben, die eigenen Schulden zu sanieren und die strukturellen Probleme in Angriff zu nehmen. Sondern vielmehr wird dazu eingeladen, dies genau nicht zu tun und darüberhinaus die eigenen Unzulänglichkeiten nicht durch Leistungssteigerung auszugleichen, sondern sich von der Gemeinschaft bezahlen zu lassen. Eine solche Forderung aufzustellen ist per se schon dreist. Sie ist aber auch gefährlich, weil die (berechtigte) Gefahr besteht, dass Euro-Anleihen auf die Bonität der gesünderen Staaten wie etwa Deutschland abstellen und diese Länder durch die Last, die ihnen auferlegt wird, überfordert werden.
Machen wir das an einem Beispiel deutlich: Wenn der Euro-Bond käme, hätten wir in der EU einen einheitlichen Schuldenzins, der für Deutschland deutlich höher ist als heute. Es wird irgendwo ein Mittel zwischen Griechenland und Deutschland geben. Ein Prozentpunkt höhere Zinsen für Deutschland kostet den deutschen Steuerzahler 18 Mrd. Euro im Jahr mehr. Und zwar jedes Jahr. Dies entspricht ungefähr den gesamten Mitteln für Hartz-IV. Die Folge in Deutschland wären drastische Steuererhöhungen (die den jungen Aufschwung abwürgen würden) oder sehr, sehr harte Kürzungen in den Sozialleistungen wie z.B. das komplette Streichen des Kindergeldes etc.. Und dies wohlgemerkt dauerhaft. Und darüberhinaus ist eher von zwei Prozent höheren Zinsen auszugehen als von einem Prozent… Mit anderen Worten: wir müssen sehr harte Einschnitte in unser Sozialsystem ertragen (das wir ohnehin schon strapazieren und in den vergangenen Jahren mühsam und schmerzvoll umgebaut haben) und gleichzeitig mehr Steuern bezahlen, damit andere ihre Hausaufgaben vielleicht in Angriff nehmen oder dies auch weiterhin nicht tun (was bequemer wäre).
Transferunion.
Nun nimmt der Unsinn weiteren Lauf – und ist konsequent dabei. Wenn bei einem Euro-Bond ohnehin alle Euro-Staaten für alle Euro-Schulden gemeinsam haften (unabhängig davon, wer wieviel Schulden macht und welche Bonität er hat), dann haben wir faktisch eine Haftungsgemeinschaft. Jetzt ist es doch nur noch folgerichtig, dass man gedanklich einen Schritt weiter geht und diese Gemeinschaft zu einer Solidargemeinschaft ausweitet. Gedanklich ist dies nahe am deutschen Länderfinanzausgleich. Es geht darum, dass aus dem Steueraufkommen eines Landes Gelder in ein schwächeres Euro-Land zu transferieren, um den dortigen Haushalt zu unterstützen und die Staatsausgaben des Nehmerlandes zu finanzieren. Überspitzt formuliert: Steuern im Inland bezahlen, damit die Nachbarn im Ausland davon leben können.
Und wie weiter?
Die Vorschäge sind allesamt kontra-produktiv und zielen darauf den Euro zu „retten“. Dabei sind die geforderten Instrumente nur sehr eingeschränkt geeignet, das Ziel zu erreichen. Es muss die Frage gestellt werden, warum dieses Ziel denn überhaupt – und wenn ja mit wem – erreicht werden soll. Auch die öffentliche Diskussion geht am Thema vorbei. Es stellt sich nicht die Frage, ob Deutschland aus dem Euro austritt. Die richtige Frage lautet vielmehr: Dürfen Länder wie Griechenland und Irland im Euro bleiben?
Die Wiedereinführung der D-Mark wäre für Deutschland sehr teuer. Weniger sind es die direkten wirtschaftlichen Kosten als die indirekten politischen Kosten im Falle eines Alleinganges. Die Idee, eine Euro-Kernzone zu haben (ohne die schwachen Länder) ist weder neu noch von Hans-Olaf Henkel (dies wurde vor mehr als zwei Jahren schon einmal breit – unter anderem von uns – diskutiert. Vgl. zuletzt den Beitrag vom Mai 2010.) Das Konzept sieht vor, dass Euro-Kernländer in den Alpen und nördlich davon liegen. Diese Länder haben auch eher ein ähnliches Wirtschaftsverständnis als beispielsweise die Mittelmeer-Länder. Sehr gut vorstellbar ist, dass eine solche Währungsgemeinschaft für Länder wie Dänemark, Norwegen, Schweden und später vielleicht sogar für die Schweiz attraktiv sein könnte. Ein solcher Euro wäre härter und stabiler als der heutige… Der Weg dorthin wäre, dass die heute schwächeren Euro-Länder den Euro aussetzen, zu ihren nationalen Währungen zurückkehren, mit Hilfe der Wechselkurs-Differenzen ihre Haushalte und Strukturdefizite sanieren und dann in den Euro zurückkehren können.
Dieser Weg wäre ökonomisch für alle (!) heutigen Euro-Länder sinnvoller als die gemachten Vorschläge. Gerade die schwächeren Länder hätten einen weicheren Weg, um sich neu aufzustellen. Und für den Euro selbst wäre dieser Weg auch der Bessere. Fester und härter als je zuvor – und ohne die Belastungen, die ständige politische Diskussionen über die Aufweichungen der Statuten mit sich bringen. Das Problem aber ist, dass man Euro-Ländern ihre Mitgliedschaft in dem Club nicht kündigen kann. Ebenso wenig können sie freiwillig ausscheiden – die anderen Euro-Länder müssen zustimmen. Es bedürfte also einer seltenen Einigkeit und ebensolchem Einsehen der Beteiligten… und von soviel Vernuft darf man wohl nicht ausgehen. Also müssen wir wohl warten bis der Euro auseinander bricht – dies ist zwar für alle der schlechteste und teuerste Weg. Aber wahrscheinlicher als kontrolliertes Ausscheiden von „schwachen“ Staaten, die genau genommen nicht reif für den Euro waren und sind.
Soviel Einsehen wird nicht herrschen. Beleg dafür ist die Formulierung der eingangs genannten Wünsche. Hier wird laut nach Subventionen, Geschenken und Leben auf Kosten anderer gerufen anstatt selbst mehr leisten zu wollen und einzugestehen, dass man nicht reif war und ist für den Euro. Und in diesem Moment des Nicht-Gestehens, des Aufstellens von Forderungen und dem anderen ein klares „Nein“ öffentlich abzunötigen, entsteht ein Bruch in der EU. Ein moralischer Bruch und ein Ansehensverlust untereinander: Es wird ein Brechen von geschlossenen Verträgen und ein Ab- und Aufweichen von Grundwerten und -prinzipien verlangt. Das viel-diskutierte Europa der zwei Geschwindigkeiten muss nun auch dem Letzten deutlich werden. Da sind zwei Teile in einem Konstrukt zusammen gefügt, die genau genommen nicht zusammen passen. Die Unterschiede sind noch zu groß und die Zeit noch nicht reif. Nur wollen das viele Politiker nicht wahr haben. Die EU wird sich heute verändern, wenn beide Seiten ihre Masken haben fallen lassen und zeigen, was sie wirklich wollen und wofür sie stehen. Der ideologische Bruch wird öffentlich werden. Die EU, wie wir sie bisher kannten, ist zu Ende. Passieren wird aber wohl nicht viel. Ganz typisch für die EU – schon, weil man sich nicht wird einigen können.
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