Mietspiegel stellen ohne Zweifel eine sinnvolle und notwendige Orientierungshilfe dar – sowohl für Mieter als auch für Vermieter. Daran will ich auch nicht rütteln.
Wenn wir in Deutschland allerdings in Mietspiegeln die „ortsübliche Vergleichsmiete“ ausweisen und diese als Maßstab für Verträge, Kappungsgrenze und dergleichen mehr heranziehen, dann sollten die Ergebnisse eines Mietspiegels eine gewisse Qualität haben. Sie sollten z.B. repräsentativ für den betrachteten Markt sein.
(Anmerkung: Zu den gesetzlichen Grundlagen sei auf §§ 558 Abs. 2, 558c und 558d BGB verwiesen sowie auf die „Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln“ des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen.)
Wann sind die Ergebnisse einer Stichprobe repräsentativ für den betrachteten Markt? Unter welchen Voraussetzungen kann ein Mietspiegel repräsentativ für eine Stadt sein?
Nun, damit die Ergebnisse aus einer Stichprobe repräsentativ sind, muss die Stichprobe selbst repräsentativ sein – dazu muss sie eine ausreichend große, zufällig gezogenene Stichprobe aus der Grundgesamtheit sein. Übersetzt bedeutet dies: es müssen ausreichend viele, zufällig bestimmte, Mietverhältnisse ausgewählt und ausgewertet werden. Die Größe der notwendigen Stichprobe ist abhängig von der Qualität der Aussage, die man als Ergebnis treffen möchte. Die einschlägigen empirischen Grundlagen dafür hat William G. Cochran mit seinem Standardwerk „Sampling Techniques“ geliefert. Aus diesem ist die Berechnungsmethode entnommen, die in der beiliegenden Excel-Tabelle verwendet wurde. [ddownload id=“2098″]
Um ein Bild des Stuttgarter Miet-Wohnungsmarktes zu bekommen, greifen wir auf die Daten der Zensus-Erhebung 2011 zurück. Diese sind öffentlich verfügbar und zeigen, dass es in der Landeshauptstadt zum Zeitpunkt der Erhebung 198.393 vermietete Wohnungen gab.
Der Mietspiegel der Stadt Stuttgart segmentiert den Miet-Wohnungsmarkt in 210 Wohnungstypen. (Quelle: http://www.stuttgart.de/item/show/21389/1) Das ist eine sehr feingliedrige Ausweisung, wenn man einen Blick auf die Zensusdaten wirft, wieviele Wohnungen es überhaupt in groben Klassifizierungen in Stuttgart gibt (siehe beiliegende Tabelle).
Sortieren wir die Zensusdaten in die beiden Hauptkategorien Baujahr und Größe.
Baujahr / Größe | insgesamt | Unter 30 | 30 – 39 | 40 – 49 | 50 – 59 | 60 – 69 | 70 und mehr |
insgesamt | 198.393 | 11.288 | 12.240 | 21.800 | 34.125 | 34.670 | 84.270 |
vor 1979 | 158.319 | 8.564 | 9.828 | 17.364 | 27.249 | 29.295 | 66.019 |
1979 – 1986 | 11.818 | 741 | 870 | 1.222 | 1.736 | 1.633 | 5.616 |
1987 – 1995 | 13.586 | 934 | 870 | 1.767 | 2.581 | 1.844 | 5.590 |
1996 – 2004 | 9.092 | 511 | 474 | 1.024 | 1.675 | 1.194 | 4.214 |
2005 – | 5.578 | 538 | 198 | 423 | 884 | 704 | 2.831 |
Zwei Dinge fallen sofort auf:
Wie viele Wohnungen müssen nun in der Erhebung für den Mietspiegel erfasst werden, damit die Ergebnisse dieser Erhebung für die einzelnen Segmente repräsentativ sind? Wenn man die üblichen Größen aus der beschreibenden Statistik ansetzt… 95%-ige Wahrscheinlichkeit, dass der Wert der Stichprobe mit einer maximalen Abweichung von +/- 3% dem tatsächlichen Wert entspricht …dann erhält man folgende Größen für die Marktsegmente in den beiden Hauptkategorien.
Insgesamt | Unter 30 | 30 – 39 | 40 – 49 | 50 – 59 | 60 – 69 | 70 und mehr | |
insgesamt | |||||||
vor 1979 | 949 | 963 | 1.005 | 1.027 | 1.030 | 1.050 | |
1979 – 1986 | 438 | 480 | 570 | 661 | 646 | 897 | |
1987 – 1995 | 498 | 480 | 666 | 755 | 676 | 896 | |
1996 – 2004 | 346 | 328 | 523 | 652 | 564 | 852 | |
2005 – | 358 | 167 | 303 | 484 | 424 | 775 | |
SUMMEN | 19.463 | 2.589 | 2.418 | 3.067 | 3.579 | 3.340 | 4.470 |
Es müssten also 19.463 bzw. 16.874 (ohne Wohnungen unter 30qm) Mietverträge ausgewertet werden, damit der so gewonnene Mietspiegel den oben genannten Anforderungen entspricht. (Hinweis: In der beiliegenden Tabelle können Sie mit den Toleranz-Werten „spielen“.) Tatsächlich gehen in den Stuttgarter Mietspiegel zwischen 1.400 (http://www.mietspiegelstuttgart.org) und 3.500 (http://www.stuttgart.de/item/show/21389/1) Mietverhältnisse in die Erhebung ein.
Bei diesen Gedanken ist noch etwas zu berücksichtigen: Das Problem der geringen tatsächlichen Stichproben und damit der mangelnden Repräsentativität ist natürlich auch den gesetzlichen Vorgaben geschuldet. Diese sehen vor, dass nur bestimmte Mietverhältnisse ausgewertet werden dürfen. (Siehe hierzu § 558 Abs. 2 BGB.) Damit wird die Schwierigkeit, einen repräsentativen Mietspiegel zu erstellen, nochmals verstärkt. Es dürfen z.B. keine geförderten Wohnungen (ca. 20.000 in Stuttgart) erfasst werden und eben nur Wohnungen, deren Mieten „in den letzten vier Jahren vereinbart oder, von Erhöhungen nach § 560 abgesehen, geändert worden sind.“ Das schränkt die Anzahl der Wohnungen, die erfasst und ausgewertet werden dürfen, ein.
Natürlich ist es richtig, geförderte Mieten in einem Mietspiegel nicht zu erfassen, da diese Mieten eben keine marktüblichen Mieten darstellen. Am Beispiel der Stadt Stuttgart reduziert sich der Bestand somit von 198.393 auf 178.393. Eine quotale Verteilung unterstellt, ergeben sich die nachstehenden Werte für eine repräsentative Erhebung.
Insgesamt | Unter 30 | 30 – 39 | 40 – 49 | 50 – 59 | 60 – 69 | 70 und mehr | |
insgesamt | |||||||
vor 1979 | 937 | 952 | 999 | 1.023 | 1.026 | 1.048 | |
1979 – 1986 | 410 | 452 | 542 | 634 | 618 | 881 | |
1987 – 1995 | 470 | 452 | 639 | 731 | 650 | 880 | |
1996 – 2004 | 321 | 305 | 495 | 625 | 535 | 833 | |
2005 – | 333 | 153 | 281 | 456 | 398 | 752 | |
SUMMEN | 18.831 | 2.471 | 2.314 | 2.956 | 3.469 | 3.227 | 4.394 |
Die Größe der zu erhebenden Stichprobe sinkt von 19.463 (16.874) auf 18.831 (16.360). Es wären demnach noch immer 16.630 Mietverhältnisse auszuwerten, um zu einem repräsentativen Bild des (nicht geförderten) Miet-Wohnungsmarktes ab einer Wohnungsgröße von 30 qm in Stuttgart gelangen. Die jüngst genannten 2.000 bis 2.500 „mietspiegel-relevanten Fälle“ (Quelle: Stuttgarter Zeitung, 31. Mai 2014, Sonderteil Immobilien, Seite V 11) aus einer Probe von 10.000 zeigen die Auswirkung der gesetzlichen Vorgaben, was ausgewertet werden darf. Repräsentativität wird so nicht erreicht werden.
Außerdem gilt zu beachten, dass auch der freie (nicht-geförderte) Mietwohnungsmarkt nicht für alle in gleichem Maße zur Verfügung steht. Es ist ein großer Unterschied, ob ein Mietverhältnis schon lange Zeit besteht oder gerade eine Wohnung zur Miete gesucht wird und ein Mietvertrag neu abgeschlossen werden soll. Beide Aspekte zeigen die Wirklichkeit des Marktes. Richtigerweise müssten also beide Situationen getrennt von einander in einem Mietspiegel untersucht und abgebildet werden.
Wenn man also wirklich qualifizierte Mietspiegel haben möchte, welche die tatsächlichen Marktverhältnisse widerspiegeln, sind zwei Dinge notwendig:
Solange beides (auch aufgrund der gesetzlichen Vorgaben) nicht gewährleistet ist, werden Mietspiegel weiter an der Marktwirklichkeit vorbei gehen.
NACHTRAG:
Außerdem gilt natürlich darauf zu achten, dass die zur Auswertung kommende Stichprobe tatsächlich eine zufällige ist. Pfadabhängigkeiten und Muster sind zu bereinigen. Es wäre fatal, wenn in der Auswertung zum Beispiel im Schwerpunkt nur Rückläufer von bestimmten Haushaltstypen enthalten wären – wie z.B. Rentnerhaushalte, Schwellenhaushalte, … Es ist also auch darauf zu achten, von wem die Rückmeldungen kommen. So werden z.B. Rentnerhaushalte die Fragebögen besonders gewissenhaft beantworten, …
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