Im Juli habe ich gemeinsam mit vielen Kollegen den offenen Brief an die Bundesregierung und die deutsche Bevölkerung unterzeichnet. Dieser Brief hat eine kontroverse Diskussion unter den Wissenschaftlern, aber auch zwischen Wissenschaftlern und Journalisten ausgelöst. Das war gut so.
Im Nachgang zu unserem offenen Brief rief das Plenum der Ökonomen, getragen vom Hamburger Kollegen Bernd Lucke (http://www.wiso.uni-hamburg.de/lucke/) aufgerufen, sich an einem Kompromiss zu beteiligen bzw. diesem zuzustimmen. Es geht um eine Stellungnahme zur Europäischen Bankenunion. 237 Kollegen haben an der Abstimmung teilgenommen, 219 haben mit „ja“ gestimmt, 8 haben sich enthalten – und 10 haben mit „nein“ gestimmt. Ich zähle zu denen, die mit „nein“ gestimmt haben.
Warum habe ich mit „nein“ gestimmt?
Der Text der Stellungnahme ist als solcher nicht wirklich diskutiert worden. Er besteht im Wesentlichen aus den folgende Kern-Forderungen…
„Eine Europäische Bankenunion sollte folgende Maßnahmen beinhalten:
1. In einer Bankenunion sind einheitliche Regulierungsstandards zu schaffen und diese durch eine mit wirksamen Durchgriffsrechten ausgestattete europäische Bankenaufsicht zu gewährleisten. Ein wesentlicher Punkt ist dabei die Durchsetzung deutlich erhöhter Eigenkapitalstandards.
2. Insbesondere ist für Investitionen in Staatsanleihen eine marktrisikobezogene Unterlegung mit Eigenkapital durchzusetzen. Voraussetzung für diese regulatorische Maßnahme ist allerdings, dass die Risiken einzelner Emittenten auch angemessen in den Preisen der jeweiligen Staatspapiere widergespiegelt werden.
3. Die europäische Bankenaufsicht soll die Funktion haben, insolvenzbedrohte Banken durch Ablösung der bisherigen Anteilseigner und durch die Umwandlung von Bankschulden in Eigenkapital (Debt Equity Swaps) zu rekapitalisieren. Dazu ist ein einheitliches europäisches Restrukturierungsverfahren notwendig, das es ermöglicht, gefährdete Institute neu aufstellen oder auch abwickeln zu können. Dabei haften zunächst die Eigentümer bis zum völligen Verzehr des Eigenkapitals.
4. Im Falle einer Überschuldung müssen die Gläubiger der betroffenen Banken Forderungsverzichte auf ihre Einsätze leisten. Davon auszunehmen sind der Geldmenge M3 zuzurechnende Einlagen von Nichtbanken, die durch ein nationales Einlagensicherungssystem (mindestens bis hin zur europarechtlich gebotenen Obergrenze von 100.000 €) zu schützen sind. Zudem sind Zahlungsverkehrslinien im Interbankenverkehr geeignet zu privilegieren, um den systemisch wichtigen Interbankenmarkt zu schützen.“
Mit diesem Text wird etwas nicht gemacht: Die Bankenunion als solche wird nicht in Frage gestellt. Es geht in diesem Text nicht mehr um das „Ob“, sondern nur noch um das „Wie“.
Und hier frage ich mich (und die Kollegen des ursprünglichen offenen Briefes) wie man diesem „Kompromiss“ zustimmen kann und soll, wenn man – wie im offenen Brief – die Bankenunion als solche für einen Fehler erachtet? Sie ist und bleibt ein Fehler.
Warum ist das so? Eine Bankenunion steht am Ende einer langen Kette, nicht am Anfang. Eine europäische Bankenunion ist eine Schulden- und Haftungsgemeinschaft. Das Vergemeinschaften von Haftung und Schulden setzt aber voraus, dass alle Mitglieder der Gemeinschaft nach den gleichen Regeln Schulden machen und dafür ihren Anteil an Haftung tragen. Davon sind wir in der EU noch weit entfernt. Wir haben keine gemeinsame Finanz- und Wirtschaftspolitik; kein gemeinsames Haftungsrecht, geschweige denn ein gemeinsames Steuerrecht oder Sozialrecht. Und auch von einer gemeinsamen Regelung bezüglich der Staatshaushalte sind wir weit entfernt.
Mit der Einführung der Bankenunion wird wieder einmal der zweite Schritt vor dem ersten getan. Das ist zwar gute europäische Tradition, wird die Probleme aber nicht lösen helfen, sondern vielmehr Platz für zusätzliche Baustellen schaffen.
Die Bankenunion ist ein Fehler. Wir sind noch nicht soweit. Und zu allererst muss die politische Klasse die europäische Bevölkerung befragen, ob diese denn überhaupt in Richtung einer politischen Union („Vereinigte Staaten von Europa“) gehen will. Erst wenn es hier einen demokratischen Prozess der Willensbildung gegeben hat, dann kann man anfangen, in diese Richtung zu arbeiten. Aber auch dann kommt die Bankenunion nicht als nächster, sondern als letzter Schritt.
Mir kommt es so vor, als ob man hier das Pferd von hinten satteln will. Und aus diesem Grund habe ich mit „nein“ gestimmt.
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