In schöner Regelmäßigkeit wird von unterschiedlichen Interessensgruppen die Wiedereinführung der „Vermögensteuer“ gefordert. Die dies fordern, bewegen sich auf dünnem Eis. Warum?
Zunächst einmal ist die Vermögenssteuer in Deutschland nicht abgeschafft worden – auch, wenn dies oft behauptet wird. Lediglich ihre Erhebung wurde seit dem Jahr 1997 ausgesetzt. Ein kleiner, aber feiner Unterschied. Faktisch ist es so, dass in Deutschland eine Vermögenssteuer existiert, die aber nicht zur Anwendung kommt, weil ihre Konstruktion nicht verfassungsgemäß ist. Wer nun also eine „Wiedereinführung“ der Vermögensteuer fordert, muss sehr genau darauf achten, dass ihre Konstruktion im Sinne der Verfassung erfolgt.
Dabei sind verschiedene Aspekte zu beachten.
1. Nicht fest verankert, aber geübte Praxis und gängige Interpretation und gemeinhin anerkannt in unserer freiheitlichen Ordnung, war und ist der sog. „Halbteilungsgrundsatz“. Dieser besagt vereinfacht ausgedrückt, dass dem Steuerpflichtigen zumindest die Hälfte seiner steuerpflichtigen Einkünfte verbleiben muss. Eine Last von über 50% der Einkünfte bedeutete, dass dem Staat der größere Teil des erwirtschafteten Einkommens zufällt und der kleinere Teil dem Steuerpflichtigen bleibt. Dies kommt einer Enteignung durch den Staat nahe und ist daher abzulehnen. Es wäre ein Eingriff in das grundgesetzlich geschützte und garantierte Privateigentum.
2. Die Vermögensteuer führt zu einer Doppelbesteuerung. D.h. einmal versteuerte Einkommen werden kontinuierlich weiterbesteuert, wenn diese Einkommen gespart werden und nicht für Konsum ausgegeben werden. D.h. die Sparsubstanz wird bestraft – der Konsum bevorzugt. Gleichwohl ist es politischer Wille und erklärtes Ziel, dass die Bundesbürger sparen und so für das Alter zusätzlich vorsorgen, weil der Staat die Alterseinkommen über das Instrument der gesetzlichen Rente nicht in der notwendigen Höhe leisten kann.
3. Die Vermögensteuer als Doppelbesteuerung ist per se als fragwürdig zu erachten und stellt eine Substanzsteuer dar. D.h. es werden nicht die Erträge besteuert, sondern die Möglichkeit, Erträge zu erzielen – gleichzeitig werden über die Ertragsteuern wie etwa Einkommensteuer und Abgeltungsteuer parallel die Erträge besteuert. Im Ergebnis schwächt eine Substanzsteuer und kann – ja nach Konstruktion der Steuer – zum Verlust der Substanz (also des Vermögens) führen. Wenn man an Firmen und Firmenanteile denkt, kann dies dazu führen, dass Unternehmen in ihrer Existenz gefährdet werden und sodann Arbeitsplätze verloren gehen.
4. Die Besteuerung der Substanz ist aus volks- und betriebswirtschaftlichen Sicht schädlich und gerade in der globalisierten Welt nachteilig, sie ist aber rein rechtlich möglich. Aber auch hier gibt es Grenzen. Im Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 22. Juni 1995 wird ausgeführt, dass eine Besteuerung von Vermögen zulässig ist, wenn – bei angemessener Gesamtbelastung des Steuerpflichtigen – die Steuerlast aus der Vermögensteuer grundsätzlich aus den typischerweise möglichen Einkünften aus dem Vermögen und nicht (!) aus der Vermögensubstanz bestreitbar ist.
Der letzte Punkt ist in vielfacher Hinsicht entscheidend. Zunächst einmal besagt er, dass die Besteuerung des Vermögens nicht dazu führen darf, dass das Vermögen aufgeben werden muss oder verloren geht. Man denke etwa an unbebaute Grundstücke. Diese erbringen keinerlei laufende Erträge – im Gegenteil: ihr Besitz verursacht laufende Kosten. Wenn nun eine Steuer auf ein unbebautes Grundstück als Einzelvermögen erhoben wird, bedeutet dies, dass der Grundbesitz aufgegeben und verkauft werden muss, um die Steuer zu bezahlen. Der Steuerpflichtige bezahlt also Steuern auf etwas, das er im Anschluss nicht mehr besitzt. Der Staat zwingt zur Aufgabe von Vermögen. Es lassen sich endlos viele Beispiele dieser Art finden… denken Sie z.B. an geerbten Schmuck, der neben dem materiellen Wert auch noch einen ideellen Wert besitzt. Denken Sie an Anteile am Familienunternehmen, welches keine Dividenden ausschüttet. Sollen die Familien gezwungen werden, fremde Gesellschafter in das Familienunternehmen aufzunehmen – nur um die Vermögensteuer zu bezahlen? Soll am besten ein Hedgefonds hineingenommen werden, weil dieser vielleicht den höchsten Preis bezahlen kann?
Wie sehr schnell deutlich wird, gibt es eine endlose Reihe von Problemfällen, in denen eine ganze Reihe von Grundrechten (Eigentum, Vertragsfreiheit, …) berührt und politische Widersprüche aufgezeigt werden. Man hat in der Vergangenheit versucht, die Beantwortung dieser Fragen und Problemstellungen zu vermeiden und zu umgehen, indem man Freibeträge eingeführt hat und zugleich Vermögen unterschiedlich bewertet hat. Und dies führte (und würde wieder führen) zu einer weiteren leidlichen Diskussion: Wie wird der Wert des Vermögens ermittelt? Bei Aktien und Renten ist es schon nicht trivial (Tageskurs, Durchschnittskurs, innerer Wert, …). Noch schwieriger wird es bei GmbH- oder KG-Anteilen. Oder man denke an Patentrechte… Oder an Kunst – beispielsweise an ein Bild an der Wand.
Und wie sieht es mit Immobilien aus? Das Bundesverfassungsgericht rügte in seinem Urteil die „Bevorzugung“ von Immobilienvermögen gegenüber Geldvermögen. Kern des Anstoßes war die Ermittlung des Wertes von Immobilien. Die angesetzten Werte von Immobilien für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage waren nach Ansicht des Gericht viel zu gering bemessen – und benachteiligten damit andere Assetklassen wie etwa ein Sparbuch, bei welchem das Vermögen direkt abzulesen ist.
Das Verfassungsgericht hat in diesem Zusammenhang zwei wichtige Punkte zwar erwähnt, die Lösung der Fragestellung aber der Politik überlassen.
– Immobilien werden durch die Erhebung der Grundsteuer permanent in ihrer Substanz besteuert. Soll eine Vermögenssteuer zusätzlich anfallen? Soll zweimal der gleiche Vermögensgegenstand besteuert werden?
– Der Verkehrswert einer Immobilie entspricht üblicherweise nicht dem Einheitswert, welcher seinerzeit die Grundlage für die Besteuerung war. Eine Wertsteigerung einer Immobilie über Jahre hinweg ist aber nur ein theoretischer Zuwachs im Wert des Objektes – eine stille Reserve im Verkaufsfalle; der Nutzwert der Immobilie ist davon gänzlich unberührt. Es werden nach wie vor xyz Quadratmeter Fläche für Wohnen, Handel oder Büro zur Verfügung gestellt und (hoffentlich) genutzt.
Da klingen zwei sehr entscheidende Problemstellungen an.
– Welcher Wert ist eigentlich anzusetzen?
– Und wie messe ich den Wert?
Und man muss direkt ergänzen: Wie sieht die Besteuerung aus, wenn der Wert sinkt oder der angenommene Wert sich als zu hoch oder zu niedrig erweist?
Machen wir uns dies an einem einfachen Beispiel klar. Sie besitzen ein Patent, das noch eine Restlaufzeit von 10 Jahren besitzt und Ihnen über diese Laufzeit hinweg Lizenzeinnahmen aus der Nutzungsgewährung Ihres Patentes erbringt. Die Lizenzeinnahmen werden als laufende Einkünfte der Einkommensteuer unterworfen. Der Wert Ihres Patentes nimmt jährlich ab und entspricht dem Barwert der Lizenzeinnahmen bezogen auf die Restlaufzeit.
Offensichtlich muss sich die Besteuerung laufend an den sinkenden Wert des Patentes anpassen. Und natürlich muss sich die Besteuerung auch an etwaigen Wertverlusten beteiligen… Für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage einer Vermögensteuer ist es also notwendig, permanent Werte neu (!) zu ermitteln. Und das ist beliebig schwierig. Nehmen wir schon das einfache Beispiel von oben: Welcher Diskontzinssatz ist der richtige? Welcher spiegelt das Risiko der Nutzung von Lizenzrechten korrekt wider?
Machen wir es ein bisschen schwieriger: Nehmen wir eine Immobilie. Es gibt hier zwar eine Wertermittlungsverordnung (WertV), aber diese ist – vorsichtig formuliert – ungeeignet. Es ist eher von einem Zufall auszugehen, wenn eine Wertermittlung streng nach WertV dem tatsächlichen Marktwert entspricht. Das ist vielfach begründet – es sei an dieser Stelle nur auf den Schwachpunkt des Liegenschaftzinses hingewiesen. Das ist auch dem Gesetzgeber bewusst, so dass in der WertV eine Vielzahl von Stellschrauben zur individuellen Korrektur (vorzunehmen durch den jeweiligen Sachverständigen) eingebaut wurden. Mit anderen Worten: eine Immobilie, eine WertV, drei Sachverständige, drei verschiedene Werte. Ein objektiver Maßstab und damit eine objektiv, für alle (!) einheitliche Wertermittlung und damit faire und transparente Besteuerung ist mit der WertV nicht möglich.
Machen wir es noch ein bisschen schwieriger: Sie kaufen ein Bild eines unbekannten Künstlers, das Ihnen einfach nur gefällt. An diesem Künstler scheiden sich nach ein paar Jahren die Geister. Die einen betrachten ihn als das 8. Weltwunder, die anderen bezeichnen ihn als Scharlatan. Welchen Wert hat jetzt Ihr Bild? Und haben Sie wirklich einen Wertzuwachs erfahren? Ist Ihr Bild schöner geworden? Oder größer? Gefällt es Ihnen besser?
Diese Fragen bringen uns nochmals zur Überlegung, was denn eigentlich den Wert eines Gegenstandes, einer Sache ausmacht? Und wann habe ich welchen Wert? Das sind Fragen, die man nur sehr schwer beantworten kann.
Noch ein bisschen schwieriger wird es, wenn man die neueren Erkenntnisse der Volks- und Betriebswirtschaft mit einbezieht, die da lauten, dass eine Besteuerung der Substanz in Unternehmen zur einer signifikanten Schwächung der Unternehmen führt, diese im internationalen Vergleich und Wettbewerb schwächt und daher als schädlich abzulehnen sind. Diese Erkenntnis führte dazu, dass man Substanzsteuern wie die Gewerbekapitalsteuer abgeschafft hat. Dies dient auch dem Schutz von Unternehmen vor dem Ausbluten und/oder feindlichen Übernahmen und sichert so Arbeitsplätze.
Wenn dies richtig ist, soll man dann juristische Personen und andere Unternehmensformen von der Vermögensteuer befreien und diese nur auf natürliche Personen anwenden? Wie will man es eigentlich mit stillen Reserven halten, also rein buchhalterischen Wertsteigerungen?
Ein Grundprinzip der Besteuerung in Deutschland ist das Leistungsfähigkeits- oder Tragfähigkeitsprinzip. Vereinfacht gesprochen: Wer mehr leisten / mehr Last tragen kann, soll – im Sinne des Gemeinwesens – mehr beitragen also mehr Steuern bezahlen. So weit, so gut. Wenn nun das Bild an der Wand in meinem Wohnzimmer mehr „wert“ geworden ist, hat sich dadurch meine Leistungsfähigkeit verändert? Wenn der gerbte Schmuck meiner verstorbenen Großeltern durch den gestiegenen Goldpreis nominal im Wert gestiegen ist, bin ich dadurch leistungsfähiger geworden und kann mehr zum Gemeinwesen beitragen?
Natürlich nicht. Meine Leistungsfähigkeit verändert sich erst, wenn zunächst buchhalterische Wertsteigerungen tatsächlich realisiert werden. Wenn ich Wertsteigerungen zu Geld mache. Wenn ich also das Bild an der Wand zu einem deutlich höheren Preis verkaufe; wenn ich den Schmuck (der schon einmal einer Substanzsteuer, der Erbschaftsteuer, unterworfen war) verkaufe. Sprich: wenn ich Gewinne aus Wertsteigerungen realisiere, dann erst steigt meine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und dann kann ich auch entsprechend mehr zum Gemeinwesen beitragen. Das ist auch der Grund, warum man in anderen Ländern eine capital gains tax erhebt – eine Steuer auf realisierte Wertsteigerungen, ganz so wie wir auch in Deutschland die Wertzuwächse von Aktien und Renten, allgemein Wertpapiere, besteuern.
Wenn man von diesen vorgenannten Fragestellungen einmal absieht, so bleiben noch viele weitere Fragen offen. Eine sei an dieser Stelle aufgegriffen. Es gibt Vermögensgegenstände, die werden in der Absicht, Einkommen damit zu erzielen, erworben – wie etwa vermietete Immobilien. Andere Vermögensgegenstände dienen nicht der Erzielung von Einkünften wie etwa das Bild an der Wand oder das selbstgenutzte Eigenheim. Welche Arten von Vermögen sollen eigentlich besteuert werden? Und ab welcher Höhe? Was ist mit ertraglosem Vermögen – mit Blick auf die Hinweise des Verfassungsgerichtes?
Die Beantwortung dieser Fragen bringt den Gesetzgeber in eine schwierige Lage. Er muss sich nun anmaßen zu erklären, wieviel Vermögen und womöglich welche Art von Vermögen er seinen Bürgern zubilligt. Gibt es dann „gutes“ und „schlechtes“ Vermögen? Mit welchem Recht maßt sich der Gesetzgeber das an? Woraus leitet er die vermeintliche Richtigkeit seiner Vorgaben ab – und wie will er diese begründen und rechtfertigen?
Seit nunmehr 15 Jahren ist nichts passiert – dies zeigt, dass die Beantwortung dieser Fragen und die Lösung der Vielzahl von Problemen nicht trivial sind. Warum will die Politik gerade jetzt und hier einen neuen Anlauf unternehmen? Wahlkampf? Oder ist es nicht einfach die Gier des Staates / der Politik nach mehr Einnahmen?
Ich vermute Letzteres und muss mit Blick auf die Demografie konstatieren, dass die Politik wohl noch immer nicht die Zeichen der Zeit erkannt hat. Seit letztem Jahr schrumpft die deutsche Bevölkerung unumkehrbar. Die Zahl der Rentner wird in den kommenden Jahren beständig zunehmen und die Zahl der Steuerzahler beständig abnehmen. Es ist das Gebot der Stunde, dass die Politik dafür Sorge trägt, dass die Steuerzahler und insbesondere die junge Generation der Steuerzahler nicht übervorteilt und nicht überbelastet wird. Wir alle müssen dafür Sorge tragen, dass wir diese Generationen nicht um ihre eigene Möglichkeiten zum Aufbau und Verwirklichung ihrer Lebensentwürfe betrügen, indem wir sie über die Maße belasten und besteuern.
Was muss also getan werden? Wir müssen endlich zur Kenntnis nehmen, dass wir als Bevölkerung dramatisch weniger werden, und dass immer weniger Junge nicht immer mehr Alte finanzieren können. Das heißt, es ist das Gebot der Stunde, dass wir anfangen, unseren Staat umzubauen und diese auf die kommende Situation ausrichten. Die staatlichen Leistungen wie auch die öffentliche Verwaltung müssen deutlich gekürzt werden und auf die kleiner werdende Bevölkerung angepasst werden. Wie wäre es z.B. damit, dass wir die Parlamente und Ministerien auf Ebene der Länder und des Bundes um ein Drittel verkleinern? Wie wäre es, wenn wir zu benennende kommunale Leistungen nicht mehr als Kommunen erbringen, sondern privatisieren (z.B. Müll-Entsorgung)? Wir haben immer weniger Menschen zu verwalten – sollte dann nicht auch der Verwaltungsapparat kleiner werden?
Eine Besteuerung von Vermögen ist per se nicht zwingend falsch. Sie muss nur in einer geeigneten Form erfolgen – hier bietet sich einzig eine capital gains tax auf realisierte Vermögen zur Einkommenserzielung an. Eine solche Besteuerung haben wir in weiten Teilen in Deutschland bereits. Wichtig ist, dass bestehende Substanzsteuern dann mit der neuen capital gains tax verrechnet werden und eine doppelte Erfassung mit der Einkommensteuer vermieden wird. Wie hoch das zu erwartende Steueraufkommen der capital gains tax sein wird, und ob der notwendige Verwaltungsaufwand für die Erhebung der Steuer diese dann noch sinnvoll erscheinen lässt, muss kritisch geprüft werden.
Generell aber ist der Ruf nach mehr Steuereinnahmen falsch – er spiegelt die Hilflosigkeit der Politik wider. Richtig ist, dass sich der Staat auf seine Verpflichtung gegenüber der jungen Generation und den weniger werdenden im Berufsleben Stehenden besinnen muss. Er muss sich auf abnehmende Steuerzahlungen einstellen und sich entsprechend ausrichten und anpassen. In einem Unternehmen nennt man dies Re-Strukturierung und Gesundung durch Schrumpfung. Der Staat muss schrumpfen – es steht ihm nicht zu, sein Volumen erhalten zu wollen. Eine steigende „Verwaltungsquote pro Kopf der Bevölkerung“ ist kein guter Indikator für einen effizienten, sorgsamen und verantwortungsbewussten Umgang mit Steuergeldern. Es ist genau diese Aufgabe, der sich die Politik stellen muss: der Staat muss kleiner werden. Sie ist unbequem – es ist bedeutend einfacher nach mehr Steuereinnahmen zu suchen als sich selbst zu beschneiden. Aber genau das dürfen und müssen wir Bürger von unseren Politiker erwarten und fordern: einen schlanken Staat, der kleiner und effizienter wird. Lean Government nennen unsere englisch-sprachigen Freunde dies.
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